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Das Kaninchen und die Schlange oder Der Immobilieninvestor und die steigenden Zinsen

Momentan ist vor allem der Teil der Immobilienwirtschaft, der hohen Leverage gewöhnt war, in Schockstarre.

Für mich, der ich 35 Jahre Auf und Ab in der Immobilienwirtschaft erlebt habe, ist die Tatsache, dass Geld auf einmal wieder etwas kostet, nichts Neues und nichts Ungewöhnliches. Tatsächlich war die Situation der letzten zehn Jahre mit Null- oder Negativzinsen die Anomalie, nicht umgekehrt. Nun gibt es aber eine jüngere Generation von Immobilienmanagern, die nichts anderes kennt als eine Flatrate beim Hypothekarkredit. Und die darüber hinaus das (fehlende) Eigenkapital durch Mezzaninfinanzierung surrogiert hat.

Ich glaube, dass sich die Immobilienwirtschaft im Herbst vom ersten Schock erholen wird und wir dann zu einer neuen Normalität und Realität zurückkehren werden. So war es auch nach dem ersten Lockdown in der Pandemie – über den Sommer 2020 Stillstand, und im Herbst ging’s dann wieder voll los.

Die Zinsen sind nicht das einzige Thema, das die Branche bewegt. Und da wird’s jetzt richtig spannend, denn ich habe trotz meiner Erfahrung noch nie eine Situation erlebt, in der so widersprüchliche Kräfte auf den Markt einwirken.

Einerseits sind da die Zinsen, die nach reiner volkswirtschaftlicher Lehre höhere Renditen bei Immobilienveranlagungen und sinkende Preise mit sich bringen müssten.

Gleichzeitig gibt es aber andererseits noch immer Gründe, die pro Immobilie sprechen:

  • Die riesige Menge an veranlagungssuchendem Kapital, die in den letzten Jahren die Preise am Immobilienmarkt getrieben hat, ist ja nicht verschwunden. Die Frage ist nur, findet sie angesichts höherer Zinsen, etwa bei Staatsanleihen, andere Kanäle?
  • Die Inflation befindet sich auf einem 40-jährigen Höchststand. Angesichts dieser Geldentwertung suchen Anleger natürlich nach inflationsresistenten Anlageklassen, und diese Sicherheit wird vor allem Immobilien zugeschrieben. Wenn die Inflation auf dem Niveau bleibt, das sie jetzt hat, dann würde das Geld in drei Jahren um fast 25 Prozent entwertet werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass deutsche (oder auch österreichische) Immobilien im selben Zeitraum preislich um ein Viertel einbrechen werden.
  • Der vielleicht wichtigste Umstand, den wir in früheren Krisenzeiten so nicht gesehen haben: Weil sich jetzt mehrere Krisen überlagern (Ukraine-Konflikt, Pandemie, Klimakrise, Materialengpässe, fehlendes Fachpersonal etc.), wird die Neubauleistung einbrechen bzw. werden die Baupreise weiter steigen. Zugleich wird aber die Nachfrage, beispielsweise wegen neuer Flüchtlingsströme, nicht nachlassen. Das bedeutet meiner Ansicht nach, dass der Altbestand nicht viel billiger werden kann. Es wäre paradox, wenn die Neubaupreise in astronomische Höhen schießen und gleichzeitig die Bestandsobjekte – aufgrund gestiegener Zinsen und damit einhergehender höherer Renditen – plötzlich viel billiger werden würden.
  • Für teure, neue Eigentumswohnungen mag es in der Vermarktung tatsächlich etwas schwieriger werden, weil der Selbstnutzer oder kleine Privatinvestor die zuletzt aufgerufenen Preise ja nur über günstige Zinsen und lange Kreditlaufzeiten stemmen konnte. Im Umkehrschluss spricht aber gerade in dieser Situation wieder einiges für Miete statt Eigentum. Ich sehe daher den gutbürgerlichen Vermietungsmarkt weiterhin positiv, dort werden wir keine oder nur minimale Rückgänge sehen.

Fazit: Wir sind alles kleine Labormäuse im unendlichen Universum neuer volkswirtschaftlicher Phänomene.

Und das allgegenwärtige Thema der Klima- und Gaskrise haben wir dabei noch gar nicht angesprochen.

Wohin sich die Preise am Immobilien-Investment-Markt mittelfristig entwickeln, ist in der neuen, unruhigen Gemengelage schwer vorhersehbar, nur eines kann man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sagen: Die „Peaks“ haben wir wohl schon gesehen.

Aber wie schon ausgeführt, glaube ich auch nicht an echte Einbrüche, nur die Spitzen werden gekappt. Will heißen, eine Ein-Prozent-Immobilie in Wien zu verkaufen wird schwieriger oder auch eine 2,5-prozentige in Leipzig.

Ich finde diese Entwicklung gar nicht mal so schlecht, zum Teil waren die Höchstpreise ja wirklich schon abartig. Etwas Beruhigung und mehr Realitätssinn tun dem Markt gut.

Außerdem freue ich mich, dann wieder besser zukaufen zu können – des einen Freud, des anderen Leid.

Jede Krise hat auch ihre Gewinner. Ich vermute, eigenkapitalstarke Investoren werden in den nächsten Monaten gute Gelegenheiten am Markt vorfinden.

Und die Zinsen? Ach ja, da war doch noch was.

Tatsächlich ist der EURIBOR noch gar nicht gestiegen, und trotzdem haben sich die Zinsen am mittleren und längeren Ende schon recht deutlich nach oben bewegt. Alles Psychologie. Das heißt, der Markt hat die Zinserhöhungen zum Teil schon vorweggenommen. Und selbst wenn die EZB nun an der Zinsschraube dreht: So zögerlich, wie die handelnden Personen in Frankfurt bisher waren, wird sie das eher in Trippelschritten und nicht mit Siebenmeilenstiefeln tun. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der EURIBOR wieder auf fünf Prozent steigt (zuletzt im Oktober 2008). Das Überwinden der Pandemie, die Umstellung auf erneuerbare Energie, weg von fossilen Brennstoffen, der Aufbau der Ukraine nach dem Krieg (wann auch immer dieser beendet sein wird), das alles wird Europa unendlich viel Geld kosten. Daher kann Geld mittelfristig nicht teuer sein. Hinzu kommt, dass die meisten Staaten ohnehin schon heillos verschuldet sind. Die Entschuldung über Inflation funktioniert am besten, wenn gleichzeitig das Bruttoinlandsprodukt, also die Wirtschaft, wächst. Und mit hohen Zinsen rutschen wir unweigerlich in eine Rezession. Aus meiner Sicht werden die Zinserhöhungen also nur homöopathisch sein und wahrscheinlich auch nicht nachhaltig.